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Stadtbahn statt Audi
32 Senioren haben schon auf ihren Führerschein verzichtet – Projekt wird nun auf unbefristete Zeit verlängert
Von Josef Staudinger - Heilbronner Stimme
LEINGARTEN Im Juli 2019 wurde in Leingarten das Pilotprojekt „Freiwillige Führerscheinabgabe“ für über 70-Jährige gestartet. Mit dem bisherigen Verlauf ist Bürgermeister Ralf Steinbrenner durchaus zufrieden. Innerhalb eines Jahres haben immerhin 32 Einwohner, die mit Erstwohnsitz in Leingarten gemeldet sind, das Angebot der Verwaltung auf freiwilligen Führerscheinverzicht angenommen und ihre Fahrerlaubnis im Bürgerbüro des Rathauses abgegeben. Das zunächst auf zwölf Monate terminierte Projekt wird daher auf unbefristete Zeit verlängert.
Der Rathauschef motiviert die Bürger, rege von dem Angebot Gebrauch zu machen. Die Führerscheinaktion, argumentiert er, sei ein idealer Baustein, um den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu machen und auf umweltgerechte Mobilität umzusteigen. Als Belohnung erhalten die Teilnehmer im Bürgerbüro einmalig zwei Gutscheine in Höhe von jeweils 50 Euro für Tickets im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Diese können dann beim Heilbronner-Hohenloher-Haller Nahverkehr (HNV), dessen Kundencenter sich in der Olgastraße 2 in Heilbronn befindet, eingelöst werden.
Vorwiegend Frauen
Eine dominierende Rolle bei der Führerscheinabgabe spielt das weibliche Geschlecht. Dies geht aus der von der Stadtverwaltung vorgelegten Statistik hervor. 27 Frauen und fünf Männer im Seniorenalter haben sich bis dato an der Aktion beteiligt.
So auch Maria Fränznick, die ihren 62 Jahre alten grauen Führerschein im Februar dieses Jahres auf dem Rathaus abgegeben hat. Stolz hält sie die beiden 50-Euro-Gutscheine in den Händen. Aufgrund der Corona-Krise habe sie ihre Fahrkarten beim HNV noch nicht abgeholt, berichtet die rüstige 82-Jährige. Das werde sie aber demnächst tun, versichert sie. Damit die gebürtige Stockheimerin den Führerschein überhaupt erlangen konnte, musste ihr Vater für seine damals 20 Jahre alte Tochter eine Einwilligungserklärung unterzeichnen. Die Führerscheinprüfung in Theorie und Praxis hat Maria Fränznick dann im März 1958 in Brackenheim an einem Tag absolviert. „Ich habe nur sechs Fahrstunden gebraucht“, kann sie sich erinnern. Ein halbes Jahrhundert ist die ehemalige „Rosewirtin“, die mit ihrem 2004 verstorbenen Mann Herbert über viele Jahrzehnte hinweg in Schluchtern das traditionsreiche Gasthaus Zur Rose mit Metzgerei führte, unfallfrei gefahren.
Bürgerbus gewünscht
Nach einer 2008 erfolgten Augenoperation ist Maria Fränznick dann nicht mehr selbst am Steuer eines Autos gesessen. „Mein Audi A3 steht noch in der Garage“, erzählt sie: „Mit dem dürfen die Kinder und Enkelkinder fahren.“
Arzttermine oder Einkäufe bei der früher in Leingarten ansässigen Bäckerei Eitel in Heilbronn nimmt Fränznick mit der Stadtbahn wahr. Es sei schade, dass der Bürgerbus, mit dem sie freitags regelmäßig zum Einkaufen gefahren ist, aufgrund der Corona-Pandemie derzeit seinen Betrieb eingestellt hat. Sie hofft, dass er bald wieder Fahrt aufnimmt.